1. und 2. Tag
Ja, wir sind los. Unglaublich mutig von uns, einfach den Anker hoch und los geht es. Zusammen mit der SY Nautica (Dieter und Karla) und der SY Kira von Celle, auch eine HR 42, mit Detlev und Beate an Bord machen wir uns auf den Weg über den riesigen Atlantik. Der GPS hat uns 2200 sm angezeigt. Wegen, mal wieder, vieler Vorbereitungsarbeiten, haben wir kein Infomail mehr rausgeschickt, nur noch eben Jochen vom Internetcafe aus über Skype (Voice over IP) angerufen. Es kommt ja auch immer alles so überraschend. Am Montag 09.01.2006 wird es dann um 16.00 Uhr UTC ernst und endgültig, dass wir losgehen. Am Tag vorher war ich schon etwas nervös, es ist schließlich unsere 1. Atlantiküberquerung. Fragen wie: Haben wir alles dabei, was wir brauchen, ist alles am Schiff überprüft, wird der Wind so beständig bleiben, wie angekündigt, hoffentlich haben wir nicht so hohe Wellen? Gehen uns durch den Kopf. Am Vormittag hat Helmut noch bei der Hafenbehörde ausklariert, für die letzten kapverdischen Escudos 24 Fläschchen Bier, Käse und Batterien fürs Handfunkgerät eingekauft, während ich an Bord für die ersten beiden Tage Essen vorbereitet habe. Man kann ja nie wissen, wie Wind und Welle einem in die Mangel nehmen und wie es einem dann geht. Ich habe 8 Hühnerbeinchen gebraten, einen Reissalat mit Paprika und Schinken angemacht, eine Hühnersuppe vorgekocht und eine deftige Minestrone aus verschiedenen Bohnen, Linsen, Möhren, Zwiebel und scharfer portugiesisch Wurst zubereitet. Auch ein Weizenmischbrot mit Sonnenblumenkernen ist dann nach 2 Stunden Gehzeit noch in den Backofen gewandert. Ist ganz prima geworden. An Land gab es nur so süßes Brot wie bei uns das Zopfbrot und das schmeckt uns zu Wurst und Käse nicht. Am Samstag hatten wir uns nochmal mit frischem Obst, Bananen, Weißkohl, Möhren, Zwiebeln und Kartoffen eingedeckt, sodass ich denke, wir werden die 18-20 Tage schon nicht verhungern. Der Atlantik nimmt uns mit seiner angenehmsten Seite 10-15 Knoten Wind aus Nordost, einer langgezogenen weichen Dünung und blauem Himmel mit Passatwolken in Empfang. In der Abendsonne schimmert die Insel Sao Nicolau in einer Vielfalt von braunen Schattierungen und in den bizarren, tiefen Barrancas (Tälern) liegt schon der Schatten.
Was für ein Abschied in die Weite des Atlantiks!
Auch die höchste Erhebung der Insel, der 1304 m hohe Monte Gordo, ist endlich mal wolkenfrei und auch noch am nächsten Morgen, Dienstag 10.1., in 60 Seemeilen Entfernung zu sehen. Wie vorhergesagt, hat der Wind dann noch etwas nachgelassen, sodass wir keine Passatbesegelung (2 Vorsegel ausgebaumt) setzen können, obwohl wir alles dafür vorbereitet haben. Mit nur 3 Knoten Fahrt schleichen wir uns dann ganz gemächlich aus dem Archipel der kapverdischen Inseln heraus. Wir sind froh, dass während der Wiedereingewöhnungsphase an das Leben auf hoher See, der Wind und die Dünung nur schwach sind. Das Bordleben spielt sich ein mit ab 18.00 Uhr alle 3 Stunden Wache gehen, Kochen, essen, funken, Wetter abrufen, mal was lesen, schlafen usw. Am Dienstag machen wir erst mal einen Friseurtermin an Bord, Helmut schneidet mir und anschließend ich ihm die Haare. Es sieht uns ja jetzt 3 Wochen niemand, also keine Gefahr bei unserem ersten Haarschneideversuchen. Die Temperaturen sind jetzt auch schon eher karibisch mit 26-28°, da können wir dann auch gleich noch auf dem Achterdeck duschen. Die beiden Nächte sind sternenklar und der zunehmende Mond lässt das Meer glänzen. Ich sehe zum ersten Mal das Kreuz des Südens.
Der 3. Tag
beschert uns nur wenig Wind mit 5-10 Knoten, sodass wir immer wieder den Motor mal mitlaufen lassen müssen, um das Schiff zu stabilisieren. Es ist dann auch noch ganz erträglich mit dem Geschaukele und da am Nachmittag eine kleine Goldmakrele angebissen hat, werfen wir den Menüplan über den Haufen und braten den Fisch im Backofen. Dazu gibt es nach Gerdis Rezept schwäbischen Kartoffelsalat mit Salatgurke und Miracel Whip. Ein Glas Weißwein gönnen wir uns auch noch. Das Etmal (zurückge-legte Strecke in 24 Stunden) beträgt 117 Seemeilen. Das ist schon richtig gut, wenn ich mir die Etmale am 1. Tag mit 92 sm und am 2. Tag mit 82 sm so ansehe. Normalerweise kann man 120 Seemeilen gut schaffen.
4. Tag
Wir sind nach der Nachtwache noch ziemlich müde, das Schiff ist die ganze Nacht unentwegt von backbord nach steuerbord gerollt und hat uns nicht zur Ruhe kommen lassen. Überall knirscht und knarrscht es. In den Schränken, in denen noch ein wenig Platz ist, saust der Inhalt hin und her und veranstaltet einen Höllenlärm. Sämtliche verfügbaren Handtücher und Kissen werden zur „Ruhigstellung“ hineingestopft. So kann er auch sein, der Atlantik, 25 Knoten Wind, Welle mit 2,50-3,50 m. Sehr, sehr ungemütlich. Da wird die Vorbereitung des Frühstücks zum Balanceakt. Aber wir kommen gut voran, man kann nicht alles haben. So heißt es jetzt: „Meilen und Müsli"!
Doch das ist für heute noch nicht alles. Die Genuafall reißt bei einer Böe von 35 Knoten Wind, ein lauter Knall und die Genua rutscht einen halben Meter am Vorstag runter. Jetzt heißt es schnell handeln und das Segel einrollen, damit wir es nicht ganz runterziehen und einpacken müssen. Die Wellen sind nochmal höher geworden und schmeißt das Schiff von einer Seite auf die andere. Nach 2 Std. haben wir dann sämtliche Fallen und Schoten geändert, einen Passatbaum neu verzurrt, den anderen wieder befestigt und eine 38 qm Arbeitsfock am Kutterstak als Vorsegel hochgezogen. Mit gerefftem Großsegel und Besan werden wir mit und auf der Welle mit 7-8 Knoten Fahrt vorangeschoben. Das Etmal beträgt heute richtig tolle 141 Seemeilen.
5. Tag
War das eine unruhige Nacht, der Wind hat auf 30 Knoten aufgefrischt und 4 Squalls, das sind örtlich eng begrenzte Regenschauer mit starkem Wind, sind auf uns runtergeprasselt. Das hatte den Vorteil, dass der ganze Sandstaub von Lanzarote und den Kapverden vom Schiff runtergespült wurde und wir wieder ein tip top salzfreies sauberes Schiff haben, ganz ohne schrubben. Da die Welle immer noch mit 2,50 – 3,00 m von achtern schiebt und uns von einer auf die andere Seite wirft, hat Helmut sich einen neuen Schlafplatz gesucht. Die niedrigste Stelle im Schiff mit den wenigsten Schiffsbewegungen ist der Boden im Salon, zwischen Salontisch und der Steuerbordsitzbank. Dort hat er unsere Vakuum-Isomatte reingelegt und sich dann reingeklemmt. So schaukelt er zwar mit dem Schiff mit, aber nicht auch nochmal selbst. Mit leichter Musik über die Ohrenstöpsel schaltet er dann auch noch die Geräusche, das Ächzen und Stöhnen des Schiffes aus und kann einigermaßen schlafen. Ich kriege bei dieser Lage eher Platzangst und habe die Steuerbordkoje mit den Leesegeln aktiviert. Aber entspannt schlafen ist das auch nicht, denn immer muss man sich irgendwo abstützen. Etmal stolze 150 sm, wenigstens werden die Unbequemlichkeiten mit Meilen belohnt.
8. Tag
Entweder haben wir uns so langsam aklimatisiert oder das Geschaukele ist tatsächlich weniger geworden :-) . Da die Nacht bis auf 1 Std in jeder Wache sehr ruhig verlief, haben wir die Wache auf 2 x 5 Std.kurzfristig geändert, viel gelesen (Buch ist sehr spannend und vermittelt gute Eindrücke vom Dombau und dem beginnenden Mittelalter), die Zeit vergeht dann wie im Flug. Der Wind hat auf 20 Knoten etwas nachgelassen, wir kreuzen leicht vor dem Wind, da die Passatbesegelung wegen der gerissen Genuafall nicht zu setzen ist. Wir auf dem weiten Atlantik, um uns nur Wasser und Himmel soweit das Auge reicht……. Zum Abendessen gibt es Paprikagulasch (eingedünstet und vorgekocht im Weckglas in Teneriffa) mit Reis.Das anschließende Geschirrspülen ist dann wieder wie einen Sack Flöhe hüten, weil alles ständig hin und her rutscht und sich selbstständig macht. Sooo v i e l e Hände kann man gar nicht haben!!!!! 8 Tage ununterbrochen auf See, das ist länger als jede von uns bisher gefahrene Zeit. Etmal 133 sm.
10. Tag
Unser Tag fängt eigentlich mit der Nacht an. Wir rechnen ab 17.30 Uhr, das ist der Zeitpunkt an dem wir den GPS bei der Abfahrt in Sao Nicolau aktiviert haben, immer 24 Stunden weiter. Dann wird wieder das Etmal abgelesen. Die Nacht war einigermaßen ruhig, zwar einige Squalls, aber höchsten 25 Knoten Wind mit dabei. Das ist bei unser Besegelung: 38 qm Arbeitsfock ausgebaumt und bis zur 1.Saling eingerefftes Großsegel mit Bullenstander festgebunden, damit der Baum nicht aus versehen rüberschlägt, gerade so recht. Wenn der Wind allerdings auf 30 Knoten auffrischen würde, müssten wir die Arbeitsfock durch eine 15 qm Sturmfock ersetzen. Die ist noch niegelnagelneu. Der Vorbesitzer hatte sie aus Sicherheitsgründen dabei. Dadurch, dass die Rollgenua nicht genutzt werden kann, braucht Helmut sich weiter gar keine Gedanken zu machen, ob er nicht doch das eine oder andere Segel setzt oder sonst noch irgendwie an den Segelstellung herumzupfen muss. Er kann ganz entspannt in der Plicht sitzen, denn das Schiff „rennt“ mit 5 - 7 Knoten, je nach Windstärke, nur so dahin. Die Schaukelei ist erträglicher geworden oder doch nicht? Vielleicht haben wir uns auch ganz einfach dran gewöhnt. Kann ich aber nicht so ganz glauben. Den Espresso zum Frühstück bereiten wir mit der „nicht elektrischen Espressomaschine“ zu, schön mit Halteklammern eingeklemmt. Doch selbst das hat heute Morgen nichts geholfen, eine starke Schiffsbewegung nach steuerbord und der ganze Kaffee war über den Herd und bei der nächsten Schiffsbewegung nach backbord über den Teppichboden verteilt. Ich hatte Glück, dass ich noch rechtzeitig zur Seite springen konnte und mir nicht die Beine verbrüht habe. Wie bei einem Rodeopferd, das plötzlich mit allen Vieren hochspringt, hüpft die Sitzbank in der Plicht plötzlich einen halben Meter nach unten. Ohne sich selbst wenigstens mit einer Hand festzuhalten, geht gar nichts. Und dann schneid mal Zwiebeln in Würfelchen ! Der Gurt der mich an den Herd anpickt, ist auch noch nicht so ideal, da die Schwankungen des Schiffes den Herd und die Flammen dann ziemlich nah an mich ranbringen. Dennoch gab es Bratkartoffel mit Zwiebel und Tomaten/Gurkensalat dazu. Sonst gab es keine besonderen Vorkommnisse, Helmut hat geruht, ich habe mehrere Stunden!!! gelesen. Find ich ganz toll, bin zuhause nie dazu gekommen. Vielleicht stellt sich jetzt die nötige Ruhe ein. Wir sind jetzt unter 900 Meilen bis Martinique. Das Etmal betrug 136 sm.
12. Tag
Bei uns wird es nach UTC Zeit erst um 21.30 Uhr dunkel und morgens dafür erst um 9.30 wieder hell, sodass wir unseren Tagesablauf und das Wache so ganz langsam auf die Karibikzeit umstellen müssen. Da der Mond erst gegen 3 Uhr aufgeht, fahren wir doch mit der 3 Farbenlaterne im Topp, damit wir gegebenenfalls von anderen Schiffen gesehen werden. Und tatsächlich hat uns Dieter von der Nautica in der Nacht auch ausmachen können. Tagsüber können wir uns nicht sehen, die Entfernungen und der Wellengang ist dann einfach zu hoch. Es ist schon erstaunlich, dass wir trotz unterschiedlicher Besegelung und ohne große Absprache in wenigen Meilen Abstand seit 11 Tagen im Konvoi fahren.Das 3 Std. - Wache gehen schlaucht uns ganz schön, auch tagsüber müssen wir uns immer wieder hinlegen. Außer lesen, Essen herrichten und spülen passiert nicht viel. Da wir uns immer und überall festhalten müssen, ist selbst so was Einfaches wie Frühstücken schon anstrengend. Der Seegang hat etwas zugenommen und die Wellen schauen immer wieder mal von steuerbord hoch an Deck. Natürlich musste mal wieder eine davon über das Frontfenster in der Sprayhood einsteigen und hat auch etwas Wasser auf den Kartentisch und den Laptop gespritzt. Helle Aufregung!!! „Man hat auch keine Freude mehr“, so Helmut. Es ist aber diesmal offensichtlich nichts passiert. Wir wissen auch noch nicht, wie man die ganzen elektronischen Geräte besser schützen könnte. Hab wieder ein Mischbrot gebacken, ist wunderbar aufgegangen, was bei der Temperatur im Salon von 28° nicht verwunderlich ist. Etmal 140 sm.
15. Tag
Das fängt ja schon gut an, beim vorbereiten des Abendessens werde ich bei einer heftigen Schiffsbewegung von der Steuerbordseite des Salons nach backbord über den Tisch auf die Salonbank geschleudert, in jeder Hand eine Tomate, die ich eigentlich in das Paprika-Zwiebel Gemüse reinschneiden wollte. Der Schreck sitzt tief, aber wie durch ein Wunder habe ich keine Prellungen. Bei diesem Flug durch den Salon habe ich den Tisch nicht mal berührt, die Antirutschtischdecke liegt unverändert. Es geht eben nicht, eine Hand muss immer zum Festhalten frei sein. Bei dieser Schiffskrängung ist natürlich auch das kochend heiße Wasser für die Makkaroni auf den Salonboden rausgeschwappt. Gut dass ich da nicht gerade vor dem Herd gestanden habe. Jetzt reicht’s mir aber wirklich! Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe, koche ich aber dann doch die Mahlzeit fertig. Die Wache im 3 Stunden Rhythmus wird anstrengend, da der Wind immer wieder auf 30 Knoten auffrischt und wir dann von Hand steuern müssen, um die Luvgierigkeit des Schiffes auszugleichen.
Habe mich dann nach meiner Wache um 11.00 Uhr vormittags nochmal für 3 Std. schlafen gelegt, die Welle ist moderater geworden und der Wind bläst nur noch mit 15-20 Knoten aus Ost. Nach einem Kaffee, Grießpudding mit Mandeln und Pfirsich aus der Dose und einem Schuss Marsala aus Sizilien geht es uns beiden dann so richtig gut. Blauer Himmel, leichte Passatbewölkung und 30° Lufttemperatur, im Salon sind es 32°, wir „safteln“ so vor uns hin. Bevor sich Helmut zu einem Schläfchen niederlegt, duscht er sich erst mal in der Plicht mit kaltem Wasser ab. „Illuminati“ habe ich nach 3 Nachtwachen durch, ist spannend bis zur letzten Seite. Helmut hat eben die Angel rausgelassen und sich aufs Heck gesetzt um sie zu bewachen, damit uns nicht wieder die Fische durch die Lappen gehen und nur Angelhaken abbeißen. Etmal 162 sm (unsere Spitzenleistung bisher).
In 16 Tagen den Atkantik bezwungen - Wir sind stolz auf uns -